Philip Frischkorn II

„Ich kann zu meiner Reisen, nicht wählen mit der Zeit,
muss selbst den Weg mir weisen in dieser Dunkelheit“

Ich versuche also mir selbst einen Weg zu weisen. Vielleicht könnte ein erster Wegweiser lauten: Lass die Mehrdeutigkeit zu. Als erste Reaktion auf Franziskas Frage – worum geht es in der Winterreise eigentlich – antworte ich also, vielleicht lässt es sich nicht eindeutig sagen, worum es geht. Und ich fange wieder am Anfang an.

„Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus.“ Lese ich das wörtlich, denke ich an einen Menschen auf Wanderschaft. Er macht halt an einem namenlosen Ort, sprich nirgendwo und überall. „Der Mai ward mir gewogen mit manchem Blumenstrauß. Das Mädchen sprach von Liebe, die Mutter gar von Eh´.“ Er verliebt sich. Ihre? Mutter – ich denke der Wanderer wird jawohl nicht mit seiner Mutter unterwegs sein –  denkt sogar an Ehe. Von Mai bis Winter scheint einige Zeit zu vergehen, aber der Vater der Auserwählten kann nicht überzeugt werden, oder vergeht die Liebe der jungen Dame gar innerhalb der ersten Monate?  Jedenfalls scheint nach spätestens 6 Monaten Schluss zu sein. „Nun ist die Welt so trübe, der Weg gehüllt in Schnee. Ich kann zu meiner Reisen nicht wählen mit der Zeit, muß selbst den Weg mir weisen in dieser Dunkelheit.“ Jetzt wird es dunkel, philosophisch. Wer wandert schon gern im Winter, gar im Schnee? Zum Liebeskummer gesellt sicht also schlechtes Wetter. Oder ist das Wetter nur die passende Beschreibung eines inneren Zustandes. Liebeskummer ist: weiter ziehen müssen, wo Mensch nicht weiter ziehen will und dabei noch Schnee und Eis ausgesetzt sein. „Es zieht ein Mondenschatten, als mein Gefährte mit, und auf den weißen Matten such ich des Wildes Tritt.“ Und jetzt, Auftritt Schatten. Die Welt sieht vielleicht so aus:

DerAbend.jpg

oder so:

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Und ganz alleine ist der Wanderer nicht. Zumindest folgt ihm sein eigener Schatten. Die gleiche hoffnungsvolle Melodie zu „das Mädchen sprach von Liebe…“ wiederholt sich jetzt: „Es zieht ein Mondenschatten…“ Also die Stadt schon wieder hinter sich gelassen, aber kurzer Flashback. „Was soll ich länger weilen, dass man mich trieb´ hinaus. Lass irre Hunde heulen vor ihres Herrn Haus.“ Mhh. Besser selber gehen, als hinausgeworfen werden und dann ein Anflug von Rachegelüsten? Jetzt folgt meinem Gefühl nach ein radikaler Bruch. Gerade noch mit dem Zorn und den irren Hunden beschäftigt, beruight sich unser Wanderer: „Die Liebe liebt das Wandern, Gott hat sie so gemacht, von Einem zu dem Andren, Gott hat sie so gemacht.“ Das klingt wie eine Naturgewalt. Die Liebe lässt sich nicht zwingen. Sie kommt und geht wie sie will. Dazu später mehr, denn das will mir nicht ganz einleuchten… Aber der Rest ist dann  schnell erzählt: „Will dich im Traum nicht stören, wär schad um deine Ruh. Sollst meinen Tritt nicht hören, sacht, sacht, die Türe zu. Schreib im Vorübergehen ans Tor dir: gute Nacht, damit du mögest sehen, an dich hab ich gedacht.“ Eine rührende Abschiedsszene. Die Geliebte schläft, der Geliebte steht in der Tür, alles ganz friedlich. Er schleicht sich hinaus. Es ist ja ohnehin alles gesagt. Es bleibt ein letzter Abschiedsgruß und vorbei ist vorbei. Aber vorbei ist eben nie vorbei, denn jetzt beginnt die Wanderschaft durch die Winterlandschaft: Die Winterreise. Ein Ensemble aus Eindrücken eines liebeskummrigen Menschens, der durch die Welt zieht und zunehmend mit dem Leben ringt, kurz vor Schluss sagend: „Auf einen Totenacker hat mich mein Weg gebracht. All hier will ich einkehren, hab ich bei mir gedacht.“

Ich will mit einer Anmerkungen schließen. Es wird die nächsten Wochen hier sicher immer wieder um Liebe gehen und die romantische Auffassung von Liebe wirkt bist heute stark im kulturellen Gedächtnis. „The notian, that we would not only be married, but happily married, dates only back to the middle of the 18th century“ sagt Alain de Botton und erklärt in seinem wundervollen Vortrag auf welche Weise die romantische Aufassung von Liebe uns immer wieder stolpern lässt. So wie ich gesolpert bin über die Liebe, die einfach von Einem zum Anderen zieht, als gäbe es Loyalität nicht. Das wiederum führt zu der wunderbaren Denkerin Bell Hooks. Und ich will meinen heutigen kleinen Beitrag mit Ihren Worten beenden:

„love is as love does“

P.S. Ich denke ich kann für Franziska und mich sprechen, wenn ich sage, dass wir uns über Kommentare und Anmerkungen beide sehr freuen. Also liebe LeserInnenschaft zögert nicht eure Meinung zu sagen.

Franziska Kuba